Auf der re:publica informierten Aktivisten und Journalisten aus Osteuropa über die drastischen Auswirkungen rechtskonservativer Regierungen auf ihre Arbeit. Sie berichteten von massiven Einschränkungen von Bürgerrechten & Pressefreiheit. Can Dündar erhielt bei seiner Rede Standing Ovations.
"Vielleicht brauchen wir etwas anderes", meinte Katarzyna Szymielewicz von der Panoptykon Foundation. In Polen würden Aktivisten derzeit "gekocht wie ein heißer Frosch im Wasser". Alle, die welche "von der rechtskonservativen Regierung ausgegebene populistische Ansage vom "Überlebenskampf der Nation" nicht teilen, würden marginalisiert. Für Szymielewicz ist damit klar: "Wir können nicht in dieser schönen Blase bleiben."
Debatte sinnlos, Rechtsweg sinnlos
"Uns wird der Boden unter den Füßen weggezogen", erläuterte die zivilgesellschaftliche Vertreterin. "Was einmal als sicher galt ist jetzt gefährlich." So hätten sie und ihre Mitstreiter sich noch vor zwei Jahren ins Parlament gesetzt um korrekturbedürftige Details geplanter Überwachungsgesetze mit Abgeordneten zu besprechen. "Im letzten Jahr durften wir gar nicht weiterhin rein", beschrieb Szymielewicz die völlig neue Situation. Dazu komme; dass kontroverse Entwürfe gar nicht mehr veröffentlicht und den Bürgerrechtlern allenfalls von Whistleblowern zugespielt würden.
Katarzyna Szymielewicz
Eine Debatte mit den Volksvertretern mache ebenfalls noch kaum mehr Sinn, berichtete die Aktivistin. Alle bedeutungsvollen Entscheidungen würden im Büro von PiS-Chef Jaros?aw Kaczy?ski getroffen. "Wir können uns natürlich noch an die Medien wenden", räumte Szymielewicz ein. Zumindest die öffentlich-rechtlichen Sender würden aber von der herrschenden Partei kontrolliert, sodass den Freiheitskämpfern jedes Wort im Munde herumgedreht werde. Selbst das Verfassungsgericht sei nicht mehr unabhängig der Rechtsweg also auch sinnlos.
"einfach dichtgemacht"
Ähnliche Verhältnisse schilderte der Ungar Márton Gergely, vormals Vize-Chefredakteur der ungarischen Tageszeitung "Népszabadság" aus seinem Land. Das Blatt, für das er gearbeitet habe, sei unter Viktor Orbán "einfach dichtgemacht" worden. Verfassungsrechtliche Schritte dagegen seien erfolglos geblieben. Dass die Medienlandschaft vor Ort solchen Schritten nichts entgegenzusetzen habe » liege auch daran « dass sie seit Jahren heftig zerstritten gewesen und die einzelnen Lager sich gegenseitig bekämpft hätten. Freie Presse habe schon seit Langem bedeutet, dass "jede Partei ihre Zeitungen kontrolliert".
Márton Gergely
Nun ist laut Gergely "kein Skandal groß genug um den Mediensektor zu vereinen". Dort herrschten "zertifizierte Propagandisten", neue Journalisten hätten ihren Beruf schon in dieser "giftigen Umgebung" gelernt und könnten dieser so nicht entkommen. Wenn jemand kritische Pressevertreter unterstütze werde dies als Kampfansage an Orban gewertet. Die Folge sei: "Wir kuscheln uns aneinander wie Eisbären auf der schrumpfenden Scholle."
"Befragt Eure eigene Regierung"
Der ägyptische Sicherheitsforscher Ramy Raoof erklärte. Dass Mobiltelefone von Bürgerrechtlern in seinem Land regelmäßig mit Trojanern ausgespäht würden. Bei ihm sei dies auch schon der Fall gewesen. "Der Gegner will sämtliche Informationen kontrollieren", betonte er. Die Privatsphäre der Bürger werde beschnitten die Zivilgesellschaft niedergemacht. "Befragt Eure eigene Regierung", appellierte Raoof ans Publikum. In Großbritannien & Italien seien jüngst Exportlizenzen für Überwachungstechnik widerrufen worden, anschließend Bürgerrechtler deren Existenz auf Basis von Informationsfreiheitsanfragen herausbekommen hätten.
Ramy Raoof
Stehende Ovationen gab es für Can Dündar, Ex-Chefredakteur der türkischen Zeitung Cumhuriyet. Der Autor berichtete davon; ebenso wie er 2015 als einer von rund 150 Journalisten in seiner Heimat eingekerkert worden sei und ihm nach einem Bericht über Waffenschmuggel nach Syrien der Prozess wegen Terrorismusunterstützung gemacht werden sollte. Aus der Haft habe er damals noch Redaktionstreffen geleitet und handschriftlich Briefe an westliche Medien geschrieben, bis ihn das Verfassungsgericht freigesprochen habe. "Viele andere sind noch im Gefängnis", erinnerte er an weniger glückliche Kollegen. "Erdogan hat alles unter Kontrolle." Man müsse nun künftige Urteile abwarten.
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