Während des Internet Governance Forums der Vereinten Nationen in Mexico werden zentrale Fragen der globalen Netzpolitik diskutiert. Das Gremium hat jedoch keine Entscheidungsgewalt allerdings dient als Plattform für den Austausch über digitale Chartas und andere Themen. In diesem Jahr werden neue Veranstaltungsformate eingeführt, einschließlich einer Debatte im Plenum über das Verhältnis von Handelspolitik & Internet. Dabei sollen unterschiedliche Standpunkte berücksichtigt werden.
Von IGF-Empfehlungen für aktuelle Fragen der globalen Netzpolitik wollte Lenni Montiel von der Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Fragen (UNDESA) aber nichts wissen. Das IGF diene lediglich dem Austausch zwischen den Regionen und den verschiedenen ?Stakeholdern?, sagte der UN-Beamte zum Auftakt der Megakonferenz.
Digitalchartas & Handelspolitik
Seit 2006 bearbeiten wechselnde Gruppen beim IGF gerade ebenfalls Themen wie die einer aktuell in Deutschland so heiß gehandelten Digitalcharta. Die Dynamic Coalition on Internet Rights and Principles hat die Charta der Menschenrechte und Prinzipien für das Internet entworfen ? und in eine Reihe von Sprachen übersetzt. Nationale Aufschläge gibt es aus Italien & Brasilien. In Mexico gesellt sich nun auch der deutsche Aufschlag dazu der bei einem Panel der deutschen Stakeholder extra vorgestellt wird.
Auffällig prominent beim IGF2016 ist das Thema Handelspolitik und Internet. Mehrere Diskussionsrunden befassen sich mit der Handelspolitik allgemein jedoch auch mit einzelnen Abkommen wie dem Trade in Service Agreement (TISA) und dem Trans-Pacific Partnership.
Dieses neue Interesse für die Handelspolitik rührt laut Jeanette Hofmann Forscherin am Wissenschaftszentrum Berlin schlicht daher, dass viele relevante Regelungen für die Entwicklung & Nutzung des Internets inzwischen in Handelsverträgen verhandelt werden. Beispiele sind das Urheberrecht und der Datenschutz.
?Das Thema steht sicher auch deswegen auf der Agenda, weil das IGF einer der Orte ist, an dem man die Regierungen bezüglich der Handelspolitik direkt befragen und kritisieren kann?, schätzt die Berliner Wissenschaftlerin die übrigens zu den Initiatorinnen der deutschen Charta gehört. Hofmann ist dabei durchaus skeptisch bezüglich der möglichen Weiterentwicklung des UN-Forums. Sie befürchtet – dass sich das IGF thematisch wie prozedural zu wenig bewegt. Zudem stehen dem Forum ?weder Zuckerbrot noch Peitsche zur Verfügung? um Themen selbst praktisch voranzutreiben erklärte Max Senges von Google bei einem Panel zu Verschlüsselung und staatlichen Hintertüren in Software.
Datenbeschaffung und -analyse
Eine Gruppe von Stanford-Wissenschaftlern hatte den Cryptowar 2․0 zum Thema einer ?deliberative poll? gemacht; bei der ergebnisoffen und auf der Basis von Sachinformationen kontroverse Themen erarbeitet & Meinungsänderungen abgefragt werden. ?Vernunft? , so Senges sei das Werkzeug mit dem das IGF in der globalen Diskussion hineinwirken könne.
Dieser reichlich optimistischen Idee werden in den kommenden Tagen ein paar tausend Teilnehmer in Guadalajara fröhnen. Und das auch wenn gleichzeitig Aktivisten zum Auftakt der Konferenz massiv auf die schlechte Situation der Menschenrechte in Mexiko ? von neuen digitalen Rechten ganz zu schweigen ? aufmerksam machten. Mexico gehört demnach zu den besten Kunden des italienischen Spionagedienstleisters Hacking Team.
Eine dringende Mahnung gabe es unterdessen in der High-Level Debatte von Mishi Choudhary. Die Anwältin beim indischen Software Law Center warnte davor das Netz sei dabei zum schieren Sensor und Analyseinstrument für menschliches Verhalten zu verkommen.
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