Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, beurteilt die Vorgehensweise des Bundesnachrichtendienstes (BND), ganze Leitungen an Internetknoten wie dem De-Cix anzuzapfen wie "generell rechtswidrig". Der Einsatz von NSA-Selektoren erachte er als unzulässig.
In einem jetzt in der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht veröffentlichten Gutachten kommt er zu dem Schluss, dass einschlägige BND-Zugriffe auf Datenaustauschpunkte wie den De-Cix in Frankfurt "insgesamt rechtswidrig" sind.
Wenn die Agenten an einem Internetknoten im großen Stil Datenpakete ausleiteten, könne schon "sowie in rechtlicher als ebenfalls in tatsächlicher Hinsicht nicht sichergestellt werden". Dass Voraussetzungen für einen derartigen massiven Eingriff ins Telekommunikationsgeheimnis etwa nach dem G10-Gesetz gewahrt blieben, führt der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts in seiner Analyse für die De-Cix-Betreibergesellschaft aus. Zudem würden auch die verfassungsrechtlichen Hürden dafür "missachtet" beziehungsweise "überschritten".
Menschenwürde ungeschützt
So gebe es für die umstrittenen BND-Aktivitäten die der Auslandsgeheimdienst zwischen 2004 und 2008 an einem Internetknoten der Deutschen Telekom im Rahmen der zusammen mit der NSA betriebenen Operation Eikonal testete, keine "normenklare und bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlage", macht verständlich Papier. Zudem unterbleibe "der absolute Schutz des Menschenwürdekerns", den Artikel 10 Grundgesetz erforderlich mache. Auch der Grundsatz, dass Eingriffe in Grundrechte verhältnismäßig sein müssten, werde nicht beachtet.
Eine Überwachung der Telekommunikation zu Zwecken der Auslandsaufklärung ohne jede Voraussetzung & Begrenzung könne generell verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden, unterstreicht das CSU-Mitglied. Das ganze "strategische" Konstrukt passe nicht weiterhin auf die Internetkommunikation, da die herangezogenen Leitungskapazitäten dabei kaum mehr im Einklang mit den Vorgaben aus Karlsruhe begrenzt werden könnten. Auch falle eine Unterscheidung zwischen in- und ausländischem Verkehr schwer. Allgemein sei auch die Kommunikation im Ausland zwischen Ausländern grundrechtsgeschützt.
Ohne Prüfung
Papier spricht dem BND des Weiteren die Befugnis ab, abgefischte Daten "umfassend oder eventuell sogar automatisiert" an Partner wie die NSA weiterzugeben. Soweit ausländische Geheimdienste der deutschen Spionagebehörde Selektorenlisten bereitstellten und diese im Weiteren damit gewonnene Informationen an die Gehilfen weiterreichten, sei dies "sehr problematisch". Ein solcher Einsatz von Suchmerkmalen sei auf jeden Fall "nicht zulässig", wenn die erlangten Ergebnisse nicht vor einem Transfer auf Basis des hiesigen Rechts bewertet würden. Eine solche Einzelfallprüfung führt der BND nicht durch was schon die Datenschutzbeauftragte der Behörde monierte.
Der Jurist fordert den Gesetzgeber auf die Befugnisse des Auslandsgeheimdienstes neu zu regeln und dabei "den umfassenden personellen und räumlichen Geltungsbereich" von Artikel 10 zu beachten. Die bisherigen einschlägigen Normen im G10-Gesetz fänden "in der Verfassung keine Grundlage". Der Reformentwurf » den die Bundesregierung vorgelegt hat « geht laut Papier nicht weit genug. Es genüge nicht darauf zu bauen, dass derzeit "begrenzte personelle und sachliche Kapazitäten" die BND-Spionage praktisch einschränkten. Die De-Cix-Betreibergesellschaft hat gegen die Zugriffe vor dem Bundesverwaltungsgericht Klage eingereicht.
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