
Lustig geht es mal wieder rund um Cablegate zu. Die Echtheit der geleakten Depeschen nämlich - bin ich eigentlich die Einzige, die bei dem Wort "Depeschen" immer den Funkraum der Titanic oder etwas ähnlich hochmodernes vor Augen hat? - will die britische Regierung trotz allem nicht bestätigen. Der Grund: dann müsste die Regierung für ihre in den Depeschen dokumentierten Taten die Verantwortung übernehmen und die amerikanischen Verbündeten müssten das auch. Ehrlich, das hat ein Regierungsvertreter vor Gericht ganz dreist so gesagt - und ist damit auch noch durchgekommen. Wieder einmal ist es schade, dass nicht alle Verteidigungsstrategien der Mächtigen auch normalen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stehen. "Nein, Herr Kommissar, ich möchte die Echtheit der von Ihnen bei mir gefundenen Hackertools weder bestätigen noch dementieren, denn wenn ich sie bestätigen würde, könnte das ja ein schlechtes Licht auf mich werfen und auf meine Kumpels auch, und wenn Sie dann die ganzen mit genau diesem Tool gehackten Webserver finden, werde ich da ja womöglich auch noch verdächtigt." - "Ach, wenn das so ist, dann schönen Tag noch und entschuldigen Sie die Umstände." Da das aus naheliegenden Gründen kein Polizist akzeptieren würde, fordere ich hiermit ganz offiziell: Die Politik darf kein rechtsfreier Raum sein!
Wo wir bei lustigen Dementi sind: ein Paradebeispiel lieferte auch unser aller Lieblings-Überwachungsbehörde, die NSA. Diese betonte: mit dem neuen geplanten Super-Rechenzentrum in Utah sollen, auch, wenn Ex-Mitarbeiter etwas anderes vermuten, keineswegs E-Mails von US-Bürgern überwacht werden. Stattdessen dient der Komplex allein der "Cybersicherheit" (was auch immer darunter im konkreten Fall zu verstehen ist). Na, dann ist es ja gut. Wir hatten uns schon Sorgen gemacht. Zum Glück ist auf Äußerungen der Marke "Niemand hat die Absicht, ein riesiges Überwachungs-Zentrum zu errichten" immer Verlass.
Nicht nur in der Natur grünt und blüht derzeit alles, auch die Zivilisation entwickelt sich stetig weiter. So zeigten wir uns vergangene Woche wieder einmal beglückt vom technischen Fortschritt. Mussten 2007 in Heiligendamm noch Bundeswehr-Piloten höchstselbst mit dem Tornado über Demonstranten-Camps fliegen, um die Aktivisten auszuspionieren und einzuschüchtern, löst die irische Polizei dieses Problem nun eleganter und setzt für den selben Zweck Drohnen ein. Wenn das die Welt nicht zu einem besseren Ort macht, weiß ich es auch nicht. Nahezu utopisch; wir haben unsere Hoffnungen für eine bessere Zukunft also nicht umsonst in Computer und Elektronik gesetzt statt in so unberechenbare Dinge wie Vernunft und Menschlichkeit. Wenn jetzt noch Roboter erfunden werden, die das Verprügeln und Einsperren allzu lästiger Demonstranten vollautomatisch erledigen, kann eigentlich nichts mehr schief gehen.
Dann waren da noch die Terroranschläge von Boston. Diese bewiesen wieder einmal, dass konservative Politiker zwar gerne, wenn es ihren Zwecken dient, Geschmack und Manieren einfordern, es aber selbst eklatant an beidem (sowie an Vernunft und technischem Sachverstand, aber das wussten wir ja schon) vermissen lassen. Prominentes Beispiel ist Hans-Peter Uhl alias Paranoia-Hansi. Dieser tat, was seinesgleichen eben angesichts von Toten, Verletzten und Traumatisierten so tut, und forderte eine zufällig ausgewürfelte Überwachungsmaßnahme für sein eigenes, an den Ereignissen völliig unbeteiligtes Land, im konkreten Fall die Vorratsdatenspeicherung. Die Forderung kam dabei so schnell, dass sich schon die Frage stellt, ob Uhl ein automatisches Skript hat, das ihm beim Eingehen entsprechender Meldungen per Agentur-Ticker sofort eine passende Rede schreibt. Die floskelhaften Formulierungen der entsprechenden Forderungen würden diese Vermutung untermauern. Auf den diversen Social-Media-Kanälen wurde Uhl deswegen glücklicherweise nur ausgelacht und die Maßeinheit "ein Uhl" kurzerhand als "die Zeit, die von einer beliebigen Straftat bis zur Forderung der Vorratsdatenspeicherung verstreicht" definiert, eine Definition, die ich hiermit ganz offiziell übernehme. Interessant wäre noch die Zeit, die zwischen einem Witz über Uhl und dessen Vorwurf, die verantwortliche respektlose Person mache sich moralisch mit an Terroranschlägen schuldig, verstreicht (diesen Vorwurf erhob Uhl vor rund fünf Jahren tatsächlich einmal gegen Gegner der Online-Durchsuchung, womit er sich einen ewigen Spitzenplatz in der Hitliste rhetorischer Tiefschläger der Überwachungsdiskussion sicherte). Ach ja, der Herr Uhl. Alleine mit den Äußerungen dieses Herrn ließen sich jede Woche zwei Glossen füllen. Belassen wir es für's erste bei: der Herr ist ganz offensichtlich lernresistent. Da halfen auch dezente Hinweise, dass von Angst getriebenes Verhalten bei der Terrorismusbekämpfung in etwa so sinnvoll ist, wie einen Waldbrand mit Benzin löschen zu wollen, nicht wesentlich weiter. Bei Herrn Uhl hilft wahrscheinlich nur noch die dauerhafte Merkbefreiung in Gold und ein dazu passendes ärztliches Attest.
Wenig Vertrauen in die eigenen Produkte hatte offenbar Samsung. Eine von dem Elektronikkonzern beauftragte Werbeagentur stellte, wie nun herauskam, Studenten ein, die auf diversen Websites Produkte des Konkurrenten HTC verreißen sollten. Samsung ist der ganze Vorfall natürlich ungeheuer peinlich (wahrscheinlich vor allem, dass sie sich haben erwischen lassen). Es ist aber auch ziemlich erbärmlich. Firmen wie Apple, AMD oder Valve (oder sogar kostenlose Projekte wie Linux) bringen es wenigstens noch zu einer Horde fanatischer Fanboys und -girls, die die überzogenen und unfairen Verrisse sämtlicher Konkurrenzprodukte kostenlos, ohne Gegenleistung und selbständig übernehmen. Nicht so Samsung; bei denen braucht es dafür einen ordentlichen Arbeitsvertrag, sozusagen für professionelle Teilzeit-Fanboys. Wahrscheinlich gründen als nächstes die Forentrolle eine Gewerkschaft und verlangen Kinderbetreuung, 40-Stunden-Woche und Wochenendzuschlag.
Bevor jetzt einige der Leser zur Gründungsversammlung besagter Gewerkschaft enteilen, beende ich diese Glosse. Macht es gut, macht nicht zu viele Witze über Herrn Uhl (zumindest nicht, ohne sie mir zu schicken) und genießt den Frühling. Wir lesen uns demnächst an der selben Stelle wieder.
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