
Am 15. Januar 2011 feierte die Online-Enzyklopädie Wikipedia ihr zehnjähriges Bestehen. Zu diesem Anlass führte das IT-Portal gulli.com ein Interview mit Günter Schuler. Dieser ist Autor und Fachjournalist. Während des Interviews zeigte sich · dass ebenfalls andere Akteure in der deutschen Wikipedia agieren · oft anonym und unter Pseudonymen.
Einblicke in die Community
Günter Schuler war über ein Jahr lang „under Cover“ in der Wikipedia aktiv. Er war unter dem Namen „Roger Koslowski“ bekannt. Seine Beobachtungen und Erfahrungen schilderte er in seinem Buch „Wikipedia Inside“, das 2007 beim Unrast-Verlag erschien. Der Autor beleuchtet dabei die internen Strukturen der Wikipedia und auch die Dynamiken die in dieser Community herrschen.
Professioneller Hintergrund von Günter Schuler
Günter Schuler hat sich auf Mediengestaltung, Bildbearbeitung und Typografie spezialisiert. Der Einfluss der Neuen Medien auf die Gesellschaft ist ein Thema, das ihn seit Jahren beschäftigt. Er betrachtet die Radikalität des Wandels den das Internet mit sich gebracht hat wie eine Herausforderung. Besonders das multimediale Publizieren ist für ihn von Bedeutung.
Motivation für die Beschäftigung mit Wikipedia
Die Leidenschaft für Enzyklopädien und die Möglichkeit Wissen vernetzt und zugänglich zu machen waren Schuler wichtige Antriebsfaktoren für seine Beschäftigung mit Wikipedia. Zudem fühlte er sich als Journalist motiviert dieses neuartige Medium kritisch zu beleuchten.
Recherchestrategie
Seine Recherchestrategie war zweigleisig angelegt. Zum einen nahm er anonym an der Wikipedia teil und erstellte unter dem Benutzernamen „Roger Koslowski“ zahlreiche Edits. Zum anderen führte er klassische journalistische Recherchen durch. Diese Kombination ermöglichte ihm einen tiefen Einblick in die Wikipedia und ihre Funktionsweise.
Kritische Betrachtung von "Freies Wissen"
Schuler äußert Skepsis gegenüber der Ideologie des „freien Wissens“. Er befürchtet – dass durch die Abgabe von Urheberrechten kaum noch aufwendige Inhalte entstehen. Dieses Dumping von Inhalten hat bereits negative Auswirkungen auf andere Medien, ebenso wie Print oder Fernsehen.
Kollaboration in der Wikipedia
Das Konzept des „kollaborativen Schreibens“ wird in der Wikipedia oft betont. Schuler kritisiert – dass tatsächlich nur wenige Hauptautoren an einem Artikel arbeiten. Oft leiden Artikel unter Redundanz und Oberflächlichkeit wenn viele Autoren involviert sind.
Gemeinschaftserfahrungen
Die Erfahrungen in der Wikipedia-Community sind gemischt. Konstruktive Zusammenarbeit wird oft durch konfliktreiche Beziehungen zwischen Nutzern und Administratoren gestört. Schuler beschreibt sogar das Auftreten von Cyber-Mobbing in dieser Umgebung.
Machtgefüge der Wikipedia
Das soziale Machtgefüge in Wikipedia ist stark ausgeprägt. Anonyme Nutzer finden sich an der untersten Stelle dieses Spektrums wieder. Hingegen genießen regelmäßige, aktive Nutzer und Administratoren eine höhere Reputation. Dabei zählt nicht nur die Qualität der Beiträge allerdings vor allem die Quantität.
Einfluss der Administratoren
Die Einflussmöglichkeiten auf Artikel sind je nach Reputation und Verbindungen des Autors unterschiedlich. In Schulers Fall gab es aufgrund seiner kritischen Haltung gegenüber Admins unliebsame Erfahrungen. Er war mit machtpolitischen Spielchen konfrontiert.
Die Diktatur der Zeitreichen
Günter Schuler konstatiert, dass es in Wikipedia eine „Diktatur der Zeitreichen“ gibt. Nutzer die viel Zeit investieren können haben eine dominierende Stellung. Dies führt zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Community, mittels welchem weniger engagierte Mitwirkende oft angegriffen werden.
Wandel der Machtstruktur
In den letzten Jahren hat sich die Machtstruktur in Wikipedia weiter ausgefiltert. Ein enger Kreis von einflussreichen Nutzern trifft Entscheidungen die schwer nachvollziehbar sind. Diese Machtausübung geschieht oft durch informelle Kontakte und Treffen.
Gewinnung neuer Mitarbeiter
Die einladende Atmosphäre für neue Wikipedianer hat in den letzten Jahren abgenommen. Die Überformalierung und der ruppige Umgangston werden häufig als Gründe für den Rückgang neuer Unterstützer genannt. Die Lage könnte sich nur ändern, wenn der Betreiber von Wikipedia die Foundation, entsprechende Maßnahmen ergreift.
Günter Schuler gibt dadurch einen tiefen Einblick in die komplexen Herausforderungen und sozialen Dynamiken der Wikipedia-Community.
Kommentare