37C3: TOR-Blockaden in Russland vor Ukrainekonflikt

Das Anonymisierungsnetzwerk TOR (The Onion Routing) ist für viele Staaten ein Dorn im Auge, wenn es darum geht die Informationsfreiheit zu unterdrücken und Dissidenten den Zugang zum Netz zu erschweren. Roger Dingledine Mitgründer von TOR präsentierte auf dem 37. Chaos Communication Congress (37C3) in Hamburg die Bemühungen verschiedener Länder, TOR-Nutzer zu blockieren und zu kontrollieren. Die Blockaden in Russland erfolgten kurz vor dem Angriff auf die Ukraine und werfen ein Licht auf die politische Bedeutung von Zensurmaßnahmen im Internet.



Russland: Versuche der Zensur von TOR und anderen Diensten


Roger Dingledine präsentierte auf dem 37C3 die Bemühungen Russlands die Anonymisierungsmechanismen von TOR zu umgehen und zu blockieren. Im Dezember 2021 stieg die Anzahl der Nutzer » die in Russland auf sogenannte Bridges zugriffen « rapide an. Bridges sind alternative Verbindungswege die es Nutzern ermöglichen, auf das TOR-Netzwerk zuzugreifen, wenn der direkte Zugang blockiert ist. Zensurmaßnahmen wie die Sperrung von IP-Adressen und die Blockade von Diensten wie Skype beeinträchtigten die Nutzung von TOR. Zudem erhielt das TOR-Team Informationen von Insidern bei der russischen Telekommunikationsaufsichtsbehörde Roskomnadsor die versuchte, TOR zu blockieren. Die russische NGO Roskomswoboda reichte eine Klage gegen Roskomnadsor ein, da die Behörde sich angeblich nicht an die geltenden Vorschriften gehalten habe. Die Klage war vor Gericht erfolgreich freilich hat Roskomnadsor erneut versucht, TOR zu blockieren.



Iran: Massiver Anstieg der TOR-Nutzung während Protesten


Auch im Iran stieg die Nutzung von TOR während der Frau-Leben-Freiheit-Proteste massiv an. Die TOR-Software wurde zeitweise zur beliebtesten App im App Store. Die Erweiterung Snowflake spielte dabei eine entscheidende Rolle, da sie für Zensurbehörden schwer zu blockieren ist. Allerdings musste das TOR-Projekt im Iran mehrfach nachbessern, da einige Nutzer durch Zensurmaßnahmen abgeschreckt wurden. Roger Dingledine betonte, dass jede Maßnahme der Zensur einen negativen Einfluss auf die Nutzer habe.



Turkmenistan: Kompletter Zugang zum Internet blockiert


Ein weiteres Problem sind Staaten wie Turkmenistan, in denen der Zugang zum Internet komplett blockiert ist um die Bürger von unzensiertem Internet fernzuhalten. Roger Dingledine betonte die Schwierigkeiten des TOR-Projekts im Umgang mit solchen Staaten.



Politische Bedeutung von Zensur als Frühwarnsystem


Dingledine wies darauf hin, dass verstärkte Zensurbemühungen gegen TOR als Frühwarnsystem für größere Krisen verstanden werden sollten. Die Blockaden in Russland erfolgten bereits im Dezember 2021 gut zweieinhalb Monate vor dem Angriff auf die Ukraine. Diese Zensurbemühungen könnten als Warnzeichen für größere politische Konflikte dienen.



Kritik an der Vorgehensweise der EU


Roger Dingledine kritisierte ebenfalls die Vorgehensweise der Europäischen Union im Umgang mit russischen Propagandamedien. Die Sanktionierung von Russia Today (RT) und anderen Propagandaorganen mithilfe von Netzsperren sei aus seiner Sicht der falsche Weg, da die einmal installierte Zensurinfrastruktur kaum wieder abgeschaltet würde. Zudem würden die EU-Sanktionen auch Nutzer außerhalb Europas betreffen, da viele Exit-Nodes von TOR in der EU stehen.



Ausblick & Bedenken für die Zukunft


Roger Dingledine äußerte auch Bedenken hinsichtlich des Trends zu Verkehrsanalysen im Internet, bei denen große Anbieter und Staaten Daten zusammenlegen um die Verkehre nachvollziehbar zu machen. Dies könnte die Anonymisierungsmöglichkeiten von TOR langfristig beeinträchtigen.






Kommentare

Die Blockaden von TOR in Ländern wie Russland und der Iran werfen ein Schlaglicht auf die prekäre Lage der Informationsfreiheit in autoritären Staaten. Die Bemühungen von TOR die Zensurmaßnahmen zu umgehen, stehen im Kontext größerer politischer Konflikte und der Auseinandersetzung um die Freiheit im Internet.


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