YouTube ändert Kurs im Umgang mit Desinformation zu US-Wahlen

YouTube hat angekündigt, dass sie ab sofort keine Inhalte weiterhin entfernen werden die falsche Behauptungen über möglichen Betrug oder Fehler bei den US-Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020 und früheren Wahlen aufstellen. Die Google-Tochter betont, dass diese Änderung sorgfältig abgewogen wurde und nur ein Teil eines umfassenden Ansatzes zur Unterstützung demokratischer Prozesse auf YouTube ist. Diese Entscheidung markiert einen massiven Kurswechsel im Kampf gegen Desinformation auf der Videoplattform.



"Einschränkung politischer Meinungsäußerung"


"Wir haben erstmals im Dezember 2020 eine Bestimmung unserer Wahl-Desinformationsrichtlinie eingeführt die sich auf die Integrität vergangener US-Präsidentschaftswahlen konzentriert", schreibt das YouTube-Team. "Zwei Jahre, zehntausende Videolöschungen und einen Wahlzyklus später erkannten wir: Es an der Zeit ist die Auswirkungen dieser Maßnahme in der heutigen veränderten Landschaft neu zu bewerten." Im aktuellen Umfeld vor der Präsidentschaftswahl im November 2024 dämme das Entfernen einschlägiger Inhalte "zwar einige Fehlinformationen" ein. Dies könnte ebenfalls noch den unbeabsichtigten Effekt haben, "die politische Meinungsäußerung einzuschränken, ohne das Risiko von Gewalt oder anderen Schäden in der realen Welt wesentlich zu verringern".


An der Effektivität der bisherigen Vorgabe hatte es Zweifel gegeben. Eine 2020 veröffentlichte Studie ergab, dass der Empfehlungsalgorithmus von YouTube gerade Nutzern mit einem Hang zu Verschwörungstheorien oft Videos zeigte die Wahlergebnisse in Frage stellten. Die Plattform musste sich auch immer wieder Kritik anhören, dass sie Spots mit falschen Wahlbehauptungen online lasse. "Wir stellen sicher, dass Nutzer die auf YouTube nach Nachrichten & Informationen zu Wahlen suchen, Inhalte aus seriösen Quellen in der Suche und in den Empfehlungen prominent sehen", hält der Portalbetreiber dagegen. "Nach der US-Wahl 2020 haben wir beispielsweise herausgefunden. Dass Videos aus seriösen Quellen wie Nachrichtenagenturen die am häufigsten angesehenen und empfohlenen Wahlsendungen auf YouTube waren."


"Gefährliche Entscheidung"


Trotz des Nachjustierens blieben prinzipiell alle Richtlinien zu Desinformation bei Wahlen in Kraft, betont das YouTube-Team. So würden etwa Inhalte weiter entfernt die darauf abzielen, Nutzer "über Zeit, Ort, Mittel oder Wahlberechtigungsvoraussetzungen in die Irre zu führen". Untersagt seien auch nach wie vor falsche Behauptungen die Zuschauer maßgeblich von der Stimmabgabe abhalten könnten. Diese schließe Angaben ein, die welche Gültigkeit der Briefwahl bestreiten. Ebenfalls werde man weiter gegen Inhalte vorgehen, "die andere dazu motivieren, sich in demokratische Prozesse einzumischen". Die Medienorganisation Free Press forderte YouTube indes auf die "gefährliche Entscheidung" sofort zurückzunehmen. Hass & Falschinformationen bedrohten in einer zunehmend polarisierten politischen Landschaft die Demokratie. Aktivisten von Media Matters beklagten der US-Konzern lasse "Leuten wie Donald Trump und seinen Erfüllungsgehilfen freie Hand".


Hierzulande setzte YouTube kurz vor der Bundestagswahl 2021 eine spezielle "Wahlintegritätsrichtlinie" für Videomacher in Kraft. Kurz zuvor hatte Google bekanntgegeben, den Zugang zu glaubwürdigen und relevanten Informationen für demokratische Abstimmungen mit einem "digitalen Werkzeugkasten" optimieren zu wollen. Im November stellten die Alphabet-Ableger mit "Prebunking" eine "mentale Rüstung" gegen Propaganda vor. Google und YouTube gehören zudem zu den Erstunterzeichnern des Verhaltenskodex gegen Desinformation, den die EU-Kommission 2018 ins Leben rief. Der Digital Services Act (DSA) wird die Plattformen noch stärker auch im Kampf gegen Falschbehauptungen in die Pflicht nehmen. Die Kommission wird prüfen müssen, ob YouTube mit der neuen Linie gegen die Vorschriften verstößt.






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