
Das Landgericht Ravensburg hat kürzlich einen Beschluss gefasst, der es der Polizei erlaubt, den Fingerabdruck eines Tatverdächtigen abzunehmen, um damit dessen Handy zu entsperren. Der betroffene Paragraf stammt noch aus einer analogen Zeit, als es noch keine Smartphones mit biometrischer Authentifizierung gab. Doch das Gericht sieht die Abnahme der Fingerabdrücke als notwendig und verhältnismäßig an, sofern dies für das Strafverfahren erforderlich ist. Kritiker sehen darin jedoch einen Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und befürchten weitere Eingriffe in die Privatsphäre.
Fingerabdrücke schützen nicht vor Datenzugriff durch Polizeibehörden
Normalerweise nutzen Nutzer ihren Fingerabdruck, um ihre Daten vor dem Zugriff anderer Menschen zu schützen. Doch im Kontext polizeilicher Ermittlungen scheint diese Barriere nicht viel wert zu sein. So hatte ein Beschuldigter sich geweigert, sein Handy vor der Polizei zu entsperren, woraufhin die Beamten dem Mann im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung Fingerabdrücke abnahmen. Mit diesen konnten sie das Smartphone entsperren und auf die Daten zugreifen.
Urteil erntet Kritik von Rechtsexperten und IT-Sicherheitsexperten
Das Urteil des Landgerichts Ravensburg erntet sowohl von Rechtsexperten als auch von IT-Sicherheitsexperten Kritik. Der Rechtsanwalt Udo Vetter weist darauf hin, dass die betreffende Vorschrift nie für die Umgehung biometrischer Sperren gedacht war. Er rät dazu, die Fingerabdrucksperre zu deaktivieren und stattdessen ein Passwort zu verwenden. Denn niemand ist verpflichtet, seine PIN oder sein Entsperrmuster herauszugeben. Der IT-Sicherheitsexperte Ulrich Greveler sieht den Beschluss ebenfalls kritisch und befürchtet weitere Eingriffe in die Privatsphäre.
Weitere Fragen und mögliche Konsequenzen
Wenn die Polizei das Handy eines Tatverdächtigen entsperren darf, ergeben sich zwangsläufig weitere Fragen und mögliche Konsequenzen. So könnte die Polizei beispielsweise Textnachrichten vom entsperrten Smartphone senden und sich als Besitzer ausgeben, um Informationen von weiteren Beteiligten zu erhalten. Auch die auf Dokumenten sichergestellte Unterschrift des Beschuldigten könnte genutzt werden, um Informationen bei weiteren Stellen anzufordern. Ein Deep Fake-Videotelefonat vom entsperrten Handy wäre ebenfalls möglich, um Kommunikationspartner zu täuschen und belastendes Material zu gewinnen. Greveler betont jedoch, dass dies in einem Rechtsstaat nicht akzeptabel ist und die Polizei sich nicht als verdächtige Person ausgeben darf, um Ermittlungsergebnisse zu erlangen.
Kommentare
Das Urteil des Landgerichts Ravensburg ist höchst umstritten und wirft viele Fragen auf. Es steht im Widerspruch zum Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und könnte weitere Eingriffe in die Privatsphäre nach sich ziehen. Es ist daher wichtig, dass das Urteil kritisch hinterfragt wird und alternative Schutzmechanismen wie die Deaktivierung der Fingerabdrucksperre in Betracht gezogen werden. Zudem müssen die rechtlichen und ethischen Grenzen bei der Nutzung von biometrischen Daten durch die Polizei klar definiert werden.