Die versteckten Umweltauswirkungen von Streaming: Wie eine Stunde RTL+ deinem CO2-Fußabdruck entspricht

CO2-Ausstoß bei RTL+: 1 Stunde Streaming entspricht 150 Meter Autofahrt

Exzessive Nutzung von Streaming-Diensten hat einen erheblichen Einfluss auf den Stromverbrauch und dadurch auf die Umwelt. Trotz der digitalen Effizienzsteigerungen führt dies zu keinen oder nur teilweisen Emissionsreduktionen – ein Phänomen, das als Rebound-Effekt bekannt ist. Nach Berechnungen von RTL Deutschland erzeugt eine Stunde RTL+-Streaming im Durchschnitt 42⸴7 Gramm CO2-Äquivalente in der Atmosphäre – das entspricht in etwa einem 150-Meter-Autofahrt.



"Dies würde in etwa einer Autofahrt von 150 Metern entsprechen", veranschaulicht RTL das Resultat. Die Berechnung bezieht sich auf die gesamte Auslieferkette, wenn jemand RTL+ mit einer durchschnittlichen Datenrate von 5⸴43 MBit/s nutzt. Der Streaming-Dienst hat aktuell 3⸴4 Millionen Abonnenten, Tendenz steigend.



Das Endgerät macht den Mist


Viel hängt von der Berücksichtigung der beeinflussbaren und verwendeten Ökostromtarife und ebenfalls von den genutzten Endgeräten beim Konsumenten ab. Klassische Fernsehgeräte haben den höchsten Energieverbrauch und identisch die meisten Emissionen. Smartphone & Tablet schneiden deutlich besser ab.



Die heise online vorliegende Analyse des CO2-Fußabdrucks zeigt, dass beim Transport von Videodaten zum Verbraucher 11⸴1 g CO2e/h entstehen. Dieser Wert umfasst Backbone sowie Anschlussnetze sei es breitbandiges Festnetz oder Mobilfunk. Der größte Anteil des Energieverbrauchs der zu durchschnittlich 30⸴9 g CO2e/h führt, entfällt auf die Endgeräte. Statt zu streamen DVDs anzuschauen würde also nur bedingt helfen mit dem Auto ins Kino zu fahren schon gar nicht.



Für die einzelnen Gerätetypen variieren die Emissionen stark. Während Nutzer mit einem typischen 100-Watt-Fernseher die meiste Leistung benötigen und damit rund 37⸴5 g CO2e/h verursachen, produzieren Kunden die Inhalte auf einem Smartphone ansehen, nur 0⸴4 g CO2e/h. Maßgeblich für den Stromverbrauch ist die Bildschirmgröße des Endgeräts. Peripheriegeräte wie WLAN-Router, Mediaplayer und Set-Top-Boxen erzeugen zusätzlich 4⸴5 g CO2e/h.



Rundfunk nur theoretisch effizienter



Rundfunk statt Streaming hilft allerdings auch nicht wirklich. Zwar ist das in aller Regel eingesetzte Unicast-Streaming, bei dem für jeden Zuschauer ein eigener Datenstream durchs Netz geschickt wird, im Vergleich zu klassischem Rundfunk ausnehmend ineffizient. Mittels Rundfunk verbreitetes Fernsehen wird laut den Experten allerdings fast nur auf größeren Fernsehbildschirmen konsumiert, womit der durchschnittliche Stromverbrauch noch höher sein dürfte als bei Streaming.



Die Resultate zeigen laut RTL, dass der langfristige Übergang zu Ökostrom die Emissionen in allen Teilen der Übertragungskette verringern und mittelfristig auf netto null drücken kann. Zudem sei der Einsatz energieeffizienter Geräte und deren Öko-Einstellungen entscheidend um den Stromverbrauch sowie den CO2-Fußabdruck beim Streaming zu senken. Weitere Optimierungen könnten effizientere Auslastung der Rechenressourcen und effizientere Übertragung von Videos erzielen.



Anders als zum Zeitpunkt der Untersuchung bietet RTL+ mittlerweile auch Musik-Streaming an. Die "weitaus geringeren Datenmengen" für Ton sowie die Nutzung des Dienstes primär auf mobilen Geräten bedeuten dabei viel geringere Emissionen.



Vergleich mit anderen Studien


Das französische "The Shift Project" hat den CO?-Fußabdruck von Videostreaming 2019 auf 3200 Gramm CO2-Äquivalente in der Stunde (g CO2e/h) taxiert. Dabei soll es aber zu Fehlern bei der Umrechnung von Bitraten in Bytes gekommen sein. Zudem beruhte diese Einschätzung laut Kritikern auf falschen Modellannahmen.



Der "Carbon Trust" ging 2020 für Deutschland von 76 Gramm CO2e/h für Videostreaming aus. Den vergleichsweise niedrigen Ausstoß in seiner aktuellen Analyse erklärt RTL damit. Dass Sendezentrum "eine Vorreiterposition" einnehme und keine CO2-Emissionen verursache.



Christian Herglotz vom Lehrstuhl für Multimediakommunikation & Signalverarbeitung der Uni Erlangen-Nürnberg der die Studie auf Plausibilität geprüft hat, lobt, dass RTL an energieeffizienten Lösungen für Streaming forsche und arbeite. Die Erkenntnisse veranschaulichten, "welche Stellschrauben es gibt und welchen globalen Einfluss sie haben". Es dürfe nicht vergessen werden, "dass die lokalen Rechnernetzwerke eines streamenden Sendeunternehmens ähnlich wie einen enormen Energieverbrauch haben".



Lesen Sie auch


Zuletzt aktualisiert am Uhr





Kommentare


Anzeige