Landgericht Berlin lehnt Datenverwendung aus EncroChat-Hack ab

LG Berlin spricht sich gegen Daten-Verwendung von EncroChat-Hack aus

Das Landgericht (LG) Berlin hat in einem Beschluss am vergangenen Donnerstag die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen einen 31-jährigen Drogendealer verworfen. Die gesammelten Daten aus entschlüsselten EncroChat-Nachrichten unterliegen einem generellen Verwertungsverbot und können dadurch nicht in dem Verfahren verwendet werden, berichtete der Spiegel.



Hintergrund des EncroChat-Hacks


Im Juli letzten Jahres erzielten Ermittler aus mehreren Ländern durch die Entschlüsselung von EncroChat einen Schlag gegen die Organisierte Kriminalität (OK) in Europa. Eine großangelegte Aktion führte zu Hunderten von Festnahmen und der Sicherstellung von Geld, Drogen und Waffen. Dies teilte Eurojust damals mit.



Trotz Anonymitätsgarantie: EncroChat-Daten von Ermittlern geknackt


EncroChat-Handys wurden den Kunden als Garant für perfekte Anonymität angepriesen. Allerdings stellten französische Ermittler fest, dass EncroChat ebenfalls über einige Server in der Stadt Lille verfügte. Spezialisten gelang es aufgrund dieser Erkenntnis, das Chatnetzwerk zu knacken. Die Beamten schleusten Schadsoftware über den Server auf sämtliche EncroChat-Handys um die Daten unbemerkt von den Geräten abzufangen und auf einen anderen Server auszuleiten.



EncroChat-Daten unterliegen Verwertungsverbot


Das LG Berlin hat überraschend die Frage, ob die EncroChat-Daten auch vor Gericht Bestand haben, verneint. In dem aktuellen Fall beschuldigte die Staatsanwaltschaft einen mutmaßlichen Dealer der in 16 Fällen unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge betrieben haben soll. Die Anklage stützte sich auf EncroChat-Nachrichten des Verdächtigen. Das LG Berlin schloss jedoch eine Verwertung dieser Daten aus.



LG Berlin: Handy-Ausspähen ohne „erforderlichen konkreten Tatverdacht“ unzulässig


Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass die erfolgte Handy-Spionage ohne einen „erforderlichen konkreten Tatverdacht“ durchgeführt wurde. Eine auf dieser Basis durchgeführte Überwachung sei somit auch nicht gerechtfertigt und stelle einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar. Der Besitz eines Krypto-Handys allein sei kein hinreichender Ermittlungsgrund. Ebenso wenig könne man den Benutzer eines verschlüsselten Handys prinzipiell unter Verdacht stellen. Auch könne man nicht automatisch von einer Straftat ausgehen, nur weil jemand typische Werkzeuge wie Bolzenschneider oder Brechstange besitzt.



Empörung in Ermittlerkreisen


Die Rechtsprechung des LG Berlin sorgt in Ermittlerkreisen für Empörung. Die Beamten befürchten – dass sich die Entscheidung des Gerichts in weiteren Instanzen durchsetzen könnte. Falls dem so wäre käme das einem Rückschlag im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität gleich. Ein Kriminalbeamter gab gegenüber dem Spiegel an: „Sollte diese Entscheidung des Landgerichts Bestand haben und zukünftig als Vorbild in anderen Verfahren gelten, können wir den Laden auch genauso viel mit dichtmachen.“



Berlin Staatsanwaltschaft geht gegen Entscheidung vor


Auch die Berliner Staatsanwaltschaft will die Entscheidung des LG Berlin nicht akzeptieren und geht mit Rechtsmitteln dagegen vor. Mit der Begründung: Der Beschluss im Widerspruch zu allen bisher getätigten Entscheidungen von anderen Oberlandesgerichten stehe, wolle man eine "Überprüfung durch das Kammergericht herbeiführen".




Zuletzt aktualisiert am Uhr





Kommentare

des Berliner Rechtsanwalts Ehssan Khazaeli
Der Berliner Rechtsanwalt Ehssan Khazaeli vermutet. Dass Debatte um die EncroChat-Daten noch nicht beendet ist. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat angekündigt den Nichteröffnungsbeschluss des LG Berlin durch das Kammergericht überprüfen zu lassen. Khazaeli weist jedoch auf einen entscheidenden Punkt hin: Die Anklage der Staatsanwaltschaft Berlin stützt sich im Wesentlichen auf die Encrochat-Protokolle, anderenfalls scheinen aber keine weiteren Beweismittel vorzuliegen. Hätten allerdings die Chatprotokolle zu Durchsuchungen oder Telefonüberwachungen geführt stelle sich die Frage ob ebenfalls diese weiter erhobenen Beweise einem fortwirkenden Beweisverwertungsverbot unterliegen würden.


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